Reinhard Keiser (1674-1739)

Dialogus von der Geburt Christi
Weihnachtsoratorium in drei Teilen

(Erstaufführung Hamburg, 29.12. 1707)

Besetzung

Orchester:
3 Clarini, Pauken,3 Oboen, 3 Fagotte, Streicher,Orgel und Cembalo
Solisten:
Sopran, Alt, Tenor, Baß
Chor (z. T. Doppelchor):
SS. AA, TT, BB 

Das bis vor kurzem gänzlich unbekannte, in keinem Nachschlagewerk erwähnte Werk von Reinhard Keiser, liegt nur in einer einzigen Quelle vor, einer höchstwahrscheinlich Autographen Partitur. Hiervon sind in späterer Zeit Stimmabschriften getätigt worden, die eine verkürzte Fassung der Komposition darstellen, die aber wohl nicht auf Keiser zurückgehen. Ein dazugehöriges Textbuch ist vermutlich verschollen, doch lässt ein noch vorhandener Katalogeintrag dieses zeitgenössischen Drucks auf eine Erstaufführung in Hamburg am Donnerstag, dem 29. Dezember 1707, schließen.

Die Komposition setzt sich aus Chorälen, Chören (auch Doppelchören), Rezitativen, Arien, Duetten und Terzetten zusammen. Der Arienstil ist zum großen Teil schlicht und erfordert – anders als in der "Brockes-Passion" oder im "Siegenden David" – keine Sänger-Virtuosen. Die Anforderungen an das Orchester sind entsprechend. Das Werk besticht jedoch durch ungewöhnliche, ja exquisite Besetzungen: etwa die Choralstrophe "O Jesu parvule" für Tenor und drei Fagotte und ein Duett, in dem Baß und Tenor durch jeweils eine Trompete, Oboe und Violine begleitet werden. Eine solche kombinatorische Vielfalt instrumentaler Besetzungen ist gewissermaßen eines von Keisers Markenzeichen. Für fast alle vom Chor gesungenen Choräle schreibt Keiser ein großes Tutti mit Trompeten und Pauken vor.

Das in gebundener Sprache (nicht immer gereimt) verfaßte Libretto eines unbekannten Verfassers geht auf die Weihnachtsgeschichte zurück. Es knüpft von dort aus an die heilsgeschichtliche Bedeutung der Menschwerdung Christi an, vergleichbar der Weise, wie dies in den Teilen fünf und sechs des Bachschen "Weihnachtsoratoriums" geschieht. Ein Evangelientext wird aber nicht verwendet. Die Choräle "In dulci jubilo" (14. Jahrhundert), "Gelobet seist du Jesu Christ" (M. Luther) und "Lobt Gott ihr Christen alle gleich" (N. Herman) gliedern die drei Teile des Werks.

Das Keiser-Bild ist in der Musikforschung momentan im Wandel begriffen. Den vermeintlich nur "für die Oper Geborenen" Keiser (H. Becker, MGG), von dem man an geistlichen Werken ausschließlich die "Markus-Passion" kannte, gibt es nicht mehr; diese schlichte Komposition, die von J. S. Bach mehrfach in überarbeiteter Form aufgeführt wurde und nur dadurch eine große Bekanntheit erlangte, wird seit kurzem dem Hamburger Domkapellmeister Brauns, dem Vorgänger Matthesons (und Vorvorgänger Keisers) zugewiesen.

Erstmalig liegt nun neben der "Brockes-Passion" ein oratorisches Werk des frühen Keiser vor. Ein bislang nicht durch Kompositionen belegbares Zitat von Mattheson, nach dem dessen damaliger Hamburger Komponistenkollege "verschiedene starcke, zweichörichte Kirchen=Wercke" (s. "Ehrenpforte", S. 130) geschrieben habe, läßt sich nun durch neue Funde nach und nach verifizieren. Bislang glaubte man, daß es sich dabei um Werke des späten Keiser, genauer gesagt aus seiner Zeit als Hamburger Domkapellmeister, gehandelt habe. Es zeichnet sich aber ab, daß sich Opern- und Oratorienschaffen nicht zeitlich trennen lassen. Einige sind wahrscheinlich verloren, existieren aber noch als Textbuch oder sind durch archivarische Belege oder Notizen in der damaligen Tagespresse zu rekonstruieren. Es sind dies die ersten großen deutschspachigen Werke des 18. Jahrhunderts. Sie waren traditionsbildend weit über Hamburg hinaus.

Noten

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